In 3 Schritten zur Kurzgeschichte

12. Mai 2017

Gibt es Unterschiede in der Herangehensweise zwischen Romanen und Kurzgeschichten? Vielleicht nicht für jeden, für mich aber schon. In diesem Beitrag zeige ich dir, mit welchen drei Schritten ich ziemlich schnell eine Kurzgeschichte ins Leben rufe.

Zu diesem Beitrag gibt es auch ein Video, in dem ich dir die drei Schritte erkläre:

 

Der große Unterschied bei kleinen Geschichten

Was ist überhaupt eine Kurzgeschichte?

Der Name ist etwas irreführend, denn “kurz” ist ja immer eine Frage der Relation. Ist eine 50 Seiten lange Geschichte eine Kurzgeschichte? Durchaus. Ist eine 5 Seiten lange Geschichte eine Kurzgeschichte? Ja.

Es gibt ein paar Daumenregeln, wie eine Kurzgeschichte sein sollte, damit sie als Kurzgeschichte einkategorisiert werden kann. Ich würde mich bei der Planung allerdings weniger daran aufhängen, ob ich nun 13.00 oder 20.000 Wörter schreibe, sondern dafür sorgen, dass eine gute Geschichte entsteht – ob es nun eine Kurzgeschichte, eine Novelle oder ein Roman wird, um nur drei Formen zu nennen.

Stellen wir aber zum Vergleich mal den Roman und die Kurzgeschichte gegenüber, um eine generellen Überblick zu bekommen:

 ROMAN   KURZGESCHICHTE
Umfang ca. 70.000 Wörter bis zu ca. 15.000 Wörter
Inhalt Meistens Ereignisse mehrerer Tage, Monate oder Jahre Meistens Momentaufnahmen
Ende Oft in sich abgeschlossen Oft offen (da Momentaufnahme)
Beginn Teilweise lange Einleitung Meist direkter Einstieg ins Geschehen
Zeit Zeitsprünge oft vorhanden Zeitsprünge eher selten
Figuren Sehr detailliert ausgearbeitet, Leser lernt sie sehr gut kennen Ausgearbeitet, bleiben aber wegen der Kürze eher an der Oberfläche
Unzählige Figuren möglich Meistens nur sehr kleines Figuren-Ensemble
Hintergrund Der Leser erfährt viel über die Hintergründe Der Leser muss sich die Hintergründe zusammenreimen

 

3 Gründe, eine Kurzgeschichte zu schreiben

 

Ich gebe zu, ich bin kein Kurzgeschichtenleser. Erst seit wenigen Wochen freunde ich mich mit diesem Genre an und merke, dass mir viele tolle Geschichten entgangen sind.

Damit es dir nicht wie mir ergeht, hier ein paar Gründe, warum du als Autor überlegen solltest, Kurzgeschichten zu schreiben:

1. Es hilft dir, die Essenz einer Geschichte zu kristallisieren

Lang kann jeder! Es ist keine Kunst, einen Krimi zu schreiben, der 500 Seiten lang ist, wenn man denn genug Ideen hat, wie man den Leser möglichst lange hinhält. Nur, weil jemand die Ausdauer hat, 500 Seiten zu schreiben, schreibt er deswegen keine bessere Geschichte als jemand, der sich genau so lange an 20 Seiten aufhält.

Mehr noch: Wenn du dafür sorgst, dass deine Kurzgeschichte wirklich spannend ist und es schaffst, eine interessante Idee zu verwirklichen, idealerweise mit einem überraschenden Twist am Ende, dann ist deine Kurzgeschichte womöglich spannender als der 500-Seiten-Roman.

Sich kurz zu halten, ist eine Kunst. Es ist wie beim Filettieren: Stück für Stück schneidest du das überflüssige Fett ab, bis nur noch das Gute übrig bleibt. Um das zu üben, sind Kurzgeschichten ideal, da du dich kurz fassen MUSST.

 

2. Du übst die Kunst der Abstraktion (und der Leser ebenfalls)

Es gibt bekannte Kurzgeschichten, die auf den ersten Blick eigentlich gar nicht spannend erscheinen, beispielsweise, weil eine Alltagssituation beschrieben wird. Wichtig ist hier das, was gerade NICHT aufgeschrieben wurde. Dieses “zwischen den Zeilen lesen” ist nicht für Autoren schwierig, sondern auch für Leser. Gerade in Kurzgeschichten wird vieles vorausgesetzt, was nicht aufgeschrieben wurde. Indem du überflüssige Informationen weglässt und der Leser sie sich selbst erschließt, wird er zum Mitdenken angeregt. Und dir hilft es, “Subtext” zu üben.

 

3. Kurzgeschichten lassen sich schneller schreiben

Häufig hast du in einer Kurzgeschichte nur einen oder zwei Konflikte, die ausgetragen werden, wohingegen ein Roman sehr viele verschiedene Konfliktebenen bedient (Ausnahmen bestätigen die Regel). Es kann daher sein, dass es dir leichter fällt, Kurzgeschichten zu schreiben und du darin schneller bist. Ich für meinen Teil schaffe es manchmal, eine komplette Geschichte am Tag zu verfassen (dann halt nur wirklich kurze Geschichten, die 1/2 oder 1 Seite lang sind).

Gleichzeitig steigert das auch deine Motivation, weil du schneller “durch” bist.

 

Besonderheit: Drabble

Ein Drabble ist eine Geschichte die aus EXAKT 100 Wörtern besteht (nicht 99, nicht 101). Der Titel wird hierbei nicht mitgezählt.

Ich selbst habe noch nicht versucht, ein Drabble zu schreiben, aber es reizt mich sehr, sodass ich es im Juni definitiv ausprobieren will. Marcus Johanus hat vor ein paar Jahren bereits diesen Artikel zum Thema geschrieben und hier gibt es Beispiele, wie ein Drabble aussehen kann.

Eine gute Möglichkeit, um einfach mal das Plotten zu üben. Und ideal für Social Media Postings!

 

In 3 Schritten zur Kurzgeschichte

 

Nun kommen wir aber zum Thema:

Folgende drei Schritte arbeite ich ab, wenn ich eine Kurzgeschichte schreiben will (diese Schritte würde ich beim Drabble versuchen). Beim Romanschreiben gehe ich zwar ähnlich vor, aber die einzelnen Schritte sind viel tiefer ausgearbeitet.

Schritt 1: Die Botschaft/das Thema formulieren

Meine Geschichte soll zwar auch ein netter Zeitvertreib sein, aber es ist natürlich noch schöner, wenn auch eine “Moral der Geschicht'” mitschwingt. Deshalb überlege ich mir (anders als beim Roman) zuerst das Thema oder die Botschaft, die ich übermitteln will.

Wenn ich überhaupt keine Ahnung habe, worüber ich schreiben könnte, durchforste ich das Internet nach Sinnsprüchen und lasse mich davon inspirieren. Auch WritingPrompts (momentan täglich auf meinem Twitter-Account und meiner Facebookseite zu finden) helfen deine Inspiration auf die Sprünge.

Beispiel: “Wichtig ist letztlich, dass du dir selbst gefällst, egal, was andere sagen”

 

Schritt 2: Das Genre/den Ton festlegen

Ich bin bei meinen Geschichten nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt und probiere auch gerne verschiedene “Tonarten” aus (dramatisch, lustig, düster, fantasievoll, …). Bevor ich mir Gedanken um die eigentliche Geschichte mache, lege ich daher fest, in welchem Genre sie spielen soll: Wird es eine lustige oder traurige Geschichte? Spannend oder gefühlvoll?

Beispiel: Die Geschichte soll gefühlvoll sein und an das Genre “Liebesroman”/”Entwicklungsroman” erinnern

 

Schritt 3: Die Geschichte und ihre Figuren plotten

Kann man Figuren plotten? Ich habe die beiden Elemente jetzt mal unter diesem Stichwort zusammengefasst. Im letzten Schritt überlege ich, welche Geschichte geschehen könnte, die die Aussage meiner Geschichte hat. Ob mir zuerst eine Geschichte oder eine Figur einfällt, ist dabei egal. Anhand dieser Idee zu Figur oder Geschichte überlege ich dann den groben Ablauf:

Beispiel: Eine Frau ist darauf fixiert, alles zu tun, um dem Mann ihrer Wahl zu gefallen. Je mehr sie sich anstrengt, ihm zu gefallen, desto hässlicher wird sie: Erst bekommt sie nur Pickel und stumpfe Haare, aber schon bald sieht sie aus wie Quasimodos Schwester. Der Typ verlässt sie, sie ist total unglücklich, aber dann erkennt sie, dass es noch immer Dinge gibt, die sie an sich liebt. Je bewusster ihr das wird, desto schöner wird sie wieder, bis sie schließlich von innen strahlt und das “gewisse Extra” hat, das man nicht beschreiben kann. Erst als sie beschlossen hat, sich selbst zu liebe (egal, was andere denken), hat sie der inneren und äußeren Schönheit die Tür geöffnet.

 

 

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Ich schreibe gerne Kurzgeschichten, (auch) weil sie es ermöglichen, tagesaktuelle Themen aufzugreifen. Oder Themen, die mich schon länger beschäftigen. Kurzgeschichten sind schnell geschrieben und man bekommt ebenso schnell eine Rückmeldung. Nicht nur zur Geschichte, sondern auch zum Thema. Das gefällt mir.
So entstehen meine Kurzgeschichten auch. Ein Thema spukt mir durch den Kopf und blockiert andere Gedanken. Also fange ich an zu schreiben. Das Genre ergibt sich (meistens) von selbst. Das längste Nachdenken erfordern die Figuren; zu entscheiden, wer sie sein sollen. Ihre Persönlichkeit ergibt sich dann (fast) von selbst.
In der letzten Zeit habe ich keine Kurzeschichten geschrieben und festgestellt, dass es mir fehlt. Ich nehme diesen Artikel zum Anlass, damit wieder anzufangen. Ob ich an der Juni Challange still für mich oder als Teil der Gruppe teilnehme, weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall werde ich aber immer wieder auf Facebook und Twitter vorbeischauen, was Annika und Ihr anderen so schreibt.
Zum Schluss noch eine Idee, die mir sehr viel Vergnügen bereitet hat. Freunde kamen auf die Idee, mir Aufgaben für eine Geschichte zustellen, aber nicht etwa Themen, sondern, sie überlegten sich Worte, die in der Geschichte auftauchen sollten. Als Zeit hatten wir drei Tage vereinbart, einschließlich Lekrorat. Dann wurde die Kurzgeschichte einem größeren Publikum vorgelesen, in der virtuellen Welt Second Life.
Eine dieser Geschichten steht jetzt auf meiner Website. Die vorgegebenen Worte waren: Termite, Kranführer und Babysocken.

Interessant, dass Du das Thema aufgreifst, Annika!

Als ich mir letztes Jahr vorgenommen habe, in sechs Monaten sechs Kurzgeschichten zu schreiben, habe ich mich ziemlich allein auf weiter Flur gefühlt. Mittlerweile ist daraus mein erstes Buch entstanden (eine Kurzgeschichtensammlung) und ich habe aus jeder Geschichte etwas gelernt. Ich finde auch, dass man bei Kurzgeschichten immer mal was Neues probieren kann, ohne sich festlegen zu müssen.

Ich fange Geschichten aber immer mit deinem dritten Punkt an: Bei mir gibt es immer zu allererst eine Figur und dann eine Situation, in der sie sich befindet. Ich mag es, dabei zuzuschauen, wie die Figur sich durch die Situation mogelt und ob sie am Ende erfolgreich ist.

Ich wünsche Dir viel Erfolg bei der Challenge!

Hallo Annika,
das Schöne an Kurzgeschichten ist, dass man mal richtig herumexperimentieren kann mit Aufbau, Inhalt, Genre und Stil. Ich habe jahrelang nur Kurzgeschichten geschrieben, veröffentlicht und vorgelesen (@Martin: übrigens auch öfters in SecondLife). Ein kleines Risiko, wenn man es denn überhaupt so nennen kann, sehe ich für Autorinnen und Autoren, die eigentlich einen Roman schreiben möchten, aber stattdessen mit Kurzgeschichten beginnen. Man arbeitet sich einfach ganz anders heran und bekommt unter Umständen beim Roman nicht mehr richtig die Kurve. Oder umgekehrt. Andererseits bieten einige Kurzgeschichten am Ende durchaus das Potenzial, daraus etwas Größeres zu machen. Für und Wider, immer wieder 🙂
Viele Grüße!

Hallo Annika, ich selbst habe vor vielen Jahre sehr gerne Geschichten, oder auch Kurzgeschcihten geschrieben. Meist zu besonderen Anlässen wie Weihnachten, Geburtstag, Kommunion (Konfirmation) oder Jubiläen.
Nach vielen Jahren Pause habe gerade Deine Videos und Tipps mir geholfen wieder daran anzuknüpfen und mit dem Schreiben wieder zu beginnen. Das schnürt den Fingern auch nicht das Blut ab, wie meine Versuche zu häkeln… ;O)
Herzlichen Dank möchte ich Dir an dieser Stelle sagen.

Viele liebe Grüße
DER ruebenmaster

kurzgeschichten sind besonders als Übungsfeld für Erzählpräzision und erzähltiming geeignet. Eine gute kurzgeschichte präsentiert in wort eine in sich abgeschlossene erlebnissequenz. macht spass!

GEDANKEN ÄUSSERN


Moin, ich bin Annika. Ich helfe dir, deinen besten Roman zu schreiben und ihn dann so zu veröffentlichen, wie du es dir vorstellst, ob mit oder ohne Verlag.

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Moin, ich bin Annika. Ich helfe dir, deinen besten Roman zu schreiben und ihn dann so zu veröffentlichen, wie du es dir vorstellst, ob mit oder ohne Verlag.