[Video] 5 Tipps für dreidimensionale Figuren

25. April 2015

Ihr habt entschieden: Ich habe im neuen Video für euch zusammengefasst, wie man dreidimensionale Figuren erstellt. Dieses Mal auch zusätzlich als Textbeitrag!

42 % derjenigen, die bei meiner Facebook-Umfrage abgestimmt haben, wünschen sich ein Video darüber, wie man dreidimensionale Romanfiguren erstellt. Diesem Wunsch komme ich natürlich sehr gerne nach!

Da mir aus einem der letzten Kommentare noch bekannt ist, dass es unter euch Leser gibt, die sehr gerne begleitende Texte zu den Videos hätten, komme auch dieser Bitte heute nach.

Du hast also die Wahl: Sieh dir entweder das Video an (um die 20 Minuten), um alle Beispiele und Tipps mitzukriegen, oder lies dir hier die Kurzversion durch.

 

Video: 5 Tipps für dreidimensionale Figuren

 

 

Warum müssen Figuren dreidimensional sein?

 

Ein Roman wird von seinen Figuren und den Konflikten getragen. Wenn man mal in die Klassiker und Bestseller hineinschaut, stellt man immer wieder fest, dass es die FIGUREN waren, die ausschlaggebend für den Erfolg des Buches waren, nicht unbedingt die Geschichte als solche (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Wer also ein gutes Buch schreiben will, braucht gute Figuren und gute Figuren haben drei Dimensionen, sind authentisch und agieren immer mit voller Leidenschaft und maximaler Kapazität. Dazu kommen wir jetzt.

 

Tipp 1: Mehr als die Realität

 

Da wir in einem Buch nur eine begrenzte Zeit haben, um eine Figur vorzustellen, sich entwickeln zu lassen und dabei eine Geschichte zu erzählen, entsprechen Romanfiguren nicht der Realität. Sie sollen zwei Dinge vereinen: Der Leser soll ihr Handeln nachvollziehen können und sie sollen ein Vorbild sein (oder ein abschreckendes Beispiel).

In der Realität sind Menschen wankelmütig, treffen unlogische Entscheidungen und sind launisch. In Romanen sollte man relativ schnell erkennen, was die Figur ausmacht, was sie antreibt und welche Einstellungen sie hat. Deswegen handeln sie eher geradlinig und sind weniger wankelmütig als echte Menschen.

Außerdem haben Romanfiguren immer “mehr”: Mehr Sexappeal, mehr Leidenschaft, mehr Gelüste. Sie sind hübscher oder hässlicher, klüger oder dümmer, mutiger oder ängstlicher als reale Menschen. Das ist einer der Gründe, warum es so viele gutaussehende Protagonisten/innen gibt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Leser es so haben möchten! Ich mutmaße, dass es tatsächlich aus der Vorbildfunktion resultiert: Einem heißgeliebten Protagonisten möchte ich nacheifern und ihn anfeuern, und zu einem Teil wünsche ich mir, wie er (sie) zu sein: Hübsch, erfolgreich, mutig und leidenschaftlich.

 

Drei Dimensionen

 

Lajos Egri beschreibt in seinem Ratgeber “Literarisches Schreiben” (Affiliate-Link) drei Dimensionen, die jede Figur haben sollte, um lebendig zu wirken:

 

Körperliche Dimension

Hierbei geht es um das Aussehen und die Charakterzüge der Figur. Wie groß ist sie, was wiegt sie, wie sind Haar- und Augenfarbe? Ist die Figur mutig, treu, rachsüchtig oder loyal?

Eine unvollständige Liste der Punkte, über die du dir Gedanken machen kannst:

  • Name
  • Alter
  • Größe
  • Rasse (bei Fantasy / ansonsten Europäer, Asiat, Afrikaner, etc.)
  • Gewicht
  • Haarfarbe
  • Augenfarbe
  • Gesichtsform
  • Körperform
  • Erscheinung (zierlich/schmächtig, stark, …)
  • Stärkste Charaktereigenschaft
  • Schwäche
  • Lieblingsessen
  • Lieblingsmusik
  • Nahestehende Menschen

 

Soziale Dimension

Es reicht nicht, zu wissen, dass jemand mutig oder klug ist – als Autor/in musst du wissen, WARUM die Figur so geworden ist. Dabei hilft oft das soziale Umfeld der Figur.

Wo ist die Figur aufgewachsen? Was für Eltern hatte sie? Welche Art Erziehung haben die Eltern der Figur angedeihen lassen? Wie hat sie ihre Kindheit erlebt? Was waren besonders glückliche Ereignisse in Kindheit und Jugend? Welche politische Einstellung hatten die Eltern, welche hat die Figur? Wie stehen Sie zu Religion? Glaubt die Figur an etwas? Was für Freunde hat sie und warum ausgerechnet diese? Mit wem war die Figur bisher intim und waren es gute oder schlechte Erfahrungen? Und so weiter und so fort …

 

Geistig-Seelische Dimension

Hierbei geht es im Detail um Motive, Einstellungen, Ängste, Komplexe, Sehnsüchte, Fantasien, und so weiter. Hier können Dinge aus der körperlichen Dimension (Logikfähigkeit zum Beispiel) ausgearbeitet werden: Welche Art Logik beherrscht die Figur besonders? Wie steht es um die Fähigkeit, neue Dinge zu erlernen? Diese Dimension ergibt sich auch häufig aus den ersten beiden. Es sollten sich hier Glaubensgrundsätze ergeben, Einstellungen der Figur gegenüber bestimmter Werte, sowie der Lebenssinn.

Hier ist eine ganz gute Einstiegshilfe als Word-Datei von spornstein.de

 

Tipp 3: Entdecke die Leidenschaft

Jede gute Figur braucht eine starke Leidenschaft, die sie zu Höchstleistungen antreibt. Sie muss so stark sein, dass die Figur auch in äußerster Anfechtung sich ein letztes Mal aufrappeln und für sie einstehen kann. Mehrere Motive lassen sich unter der Leidenschaft zusammenfassen, die die treibende Kraft im Leben der Figur ist.

 

Tipp 4: Brich mit dem Klischee

Du hast die Möglichkeit, deine Figur über einen Stereotypen zu entwickeln. Das hilft dem Leser bei der schnellen Einordnung deiner Figur, denn er muss sie “fassen” können und schnell kennenlernen, um sich mit ihr zu identifizieren und durch den Roman begleiten zu wollen.

Nehmen wir mal an, du schreibst einen Krimi. Es gibt verschiedene Stereotypen von Detektiven, die üblich sind: Der kaltschnäuzige Unnahbare, der Gelehrte, der Anfänger, … Such dir einen aus.

Wichtig ist, dass du nicht alle Klischees erfüllst, mit denen man bei so einer Figur rechnet. Ein kaltschnäuziger Detektiv braucht also irgendeine Seite, die man nicht an ihm vermutet. Hüte dich vor Klischees! Einfach das Gegenteil zu nehmen, ist mittlerweile nicht mehr originell (“harte Schale, weicher Kern”). Strenge dein Gehirn ein bisschen an und verpasse deiner Figur eine interessante Macke oder eine faszinierende Eigenschaft, die mit dem üblichen Klischee bricht. Das weckt Interesse und macht die Figur einmaliger.

 

Tipp 5: Agieren an der maximalen Kapazitätsgrenze

Als Autor/in ist es deine Pflicht, deine Figur tun zu lassen, wozu sie im Stande ist. Nicht jede Figur ist Herkules oder Superman und kann Dinge, die andere nicht können, aber jede Figur kann das ihr maximal Mögliche tun.

In seinem Ratgeber “Wie man einen verdammt guten Roman schreibt” (Affiliate-Link) nennt James N. Frey ein ganz hübsches Beispiel dazu:

Stell dir vor, du hast eine Figur kreiert: Sue (im Buch heißt sie Ellen Sue, aber ich mag Sue lieber). Sue ist sehr, sehr schüchtern und schon lange in ihren Arbeitskollegen Alex verliebt. Natürlich traut sie sich nicht, ihn anzusprechen.

Im echten Leben wäre es hier schon vorbei, denn selten traut sich jemand aus seiner Komfortzone heraus. Nicht so Sue, die Romanfigur.

Um das Maximum ihrer Fähigkeiten herauszuholen, hast du als Autor/in diverse Möglichkeiten:

 

  • Sue könnte Alex eine E-Mail schreiben
  • Sie könnte ihn anrufen
  • Sie könnte ihn mit Kaffee bekleckern und sein Hemd dann saubermachen

 

Wenn du also als Autor/in vor der Frage stehst, was deine Figur tun soll, dann lasse sie immer ihre maximalen Handlungsspielraum nutzen! Und wenn du mehrere Möglichkeiten hast, stelle dir die Frage: Welche dieser Möglichkeiten ist besonders dramatisch/einfallsreich/überraschend?

 

Womit hast du noch Probleme?

 

Gibt es ein Thema, bei dem du schreibtechnisch einfach nicht weiterkommst? Wünschst du dir ein Video zu einem bestimmten Thema? Dann nichts wie ab in die Kommentare! Mich würde außerdem sehr interessieren, wie du bisher immer deine Figuren gestaltest und ob du die genannten Tipps mal ausprobieren wirst.

 

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GEDANKEN DAZU
AUSKLAPPEN

Liebe Annika,
sehr, sehr aufschlussreich! Kann ich gerade sehr gut für meinen neuen Roman umsetzen. Vielen Dank. lg Melanie

Liebe Annika,

vielen lieben Dank für das Video, das ich heute endlich mal geschaut habe und wo mir mal wieder jede Menge Kronleuchter aufgegangen sind. Ich glaube übrigens auch, dass es hier einen direkten Zusammenhang zu Deinem letzten Artikel mit der Schneeflöckchenmethode gibt. Du hast ja dort das Erstellen der Figuren als einen der Punkte aufgeführt, aber da wird auch umgekehrt ein Schuh draus: Ich glaube, dass man als Discovery Writer kaum eine Chance hat, gute Figuren aus dem Handgelenk zu schütteln, es sei denn, man hat sie sich vorher überlegt (dann muss man sie nur aufeinander loslassen), oder man ist so genial oder hat solches Glück, dass es trotzdem klappt.

(Was heißt “ich glaube” – ich WEISS. Aus Erfahrung. Da denkt man, man ist so halbwegs fertig, und dann kommt so ein Video und legt zielsicher den Finger in die Wunde – MEEEEEH! Dann halt wieder alles auf Anfang! Grmpf.)

Viele liebe Grüße
Martina

Hallo Martina! Tut mir leid, wenn ich in deiner Wunde rumgestochert habe 😀 Mir geht es aber selbst auch oft so, dass ich denke, ich hab eine Sache richtig gut gemacht und dann kommt einer, stellt EINE Frage und alles bricht zusammen 😉 Hoffe, du musst nicht allzu viel umarbeiten. Was mich dabei immer motiviert, ist der Gedanke, dass es nachher immer besser sein wird als vorher. Alles Gute für dich!

Hallo Annika,

das muss Dir doch nicht Leid tun! Ganz im Gegenteil, ich bin Dir sogar ausgesprochen dankbar dafür! Das war wirklich der Weckruf zur richtigen Zeit!

Genau wie übrigens einem meiner besten Freunde dankbar bin, der das ganze eigentlich lesen sollte und von mir vorher erstmal die folgenden Fragen beantwortet haben wollte:

1. Wer sind denn die Hauptpersonen und 2. was ist an denen besonders?
3. Wo spielt das Ganze, sowohl geografisch als auch in Bezug auf das Milieu.
4. Wann spielt das Ganze?
5. Wie sähe ein Klappentext aus?

Ich kann es nur wärmstens empfehlen, diese Fragen für seine Figuren zu beantworten. für mich war das sehr erhellend, weil ich insbesondere nach der Beantwortung der Fragen 1 und 2 dachte. “Aua aua aua. Die sind halt… öh… NETT.” Und nett ist bekanntlich die kleine Schwester von? Ganz genau.

Und mit dieser Erkenntnis im Hintergrund hab ich Dein Video geschaut und meine Figuren auf die von Dir benannten Punkte abgeklopft (nicht dass da viel zu klopfen gewesen wäre :-D). Da konnte ich dann endlich mal ganz genau benennen, WO eigentlich bei meinem Manuskript die Hauptschwäche ist und auch, was ich dagegen tun muss. Dabei hat mir übrigens auch Dein Beitrag über die Charaktere, den Du im PS verlinkt hast, sehr geholfen. Ich hatte zwar auch Charakterbögen, aber die waren bei weitem nicht so ausgefeilt und vor allem hat immer diese Triebfeder gefehlt und dieses “Larger than life”. Und wenn man sich Deine aufgeführten Punkte hernimmt und jeden einzelnen an seinen Hauptfiguren optimiert bzw sie von Anfang an so entwickelt, dass jeder einzelne Punkt erfüllt ist, muss man sie ja eigentlich nur noch aufeinander loslassen.

Deshalb, nach ein paar Tagen im Dreieck springen heißt es jetzt für mich aufstehen, Mund abputzen, Krone richten und weitermachen 🙂

Wie gesagt, ich bin Dir da sehr dankbar, umso mehr, als Du es mit diesem Artikel bzw. dem Video geschafft hast, das Thema auf eine Art verständlich zu machen und zu komprimieren, die ich vorher so noch nicht gefunden habe. Dafür meinen Respekt und meinen Dank!

Liebe Annika,

ich fand den Artikel ebenfals sehr spannend, ich muss aber gestehen, dass mit der Inhalt seltsam bekannt vorkam. Könnte daran liegen, dass ich gerade Freys “Wie man einen verdammt guten Roman schreibt” gelesen habe. Ich finde, du solltest fairerweise auch den Rest des Artikels (neben dem Zitat) als Zusammenfassung seiner entsprechenden Kapitel im Buch kennzeichnen.

Viele Grüße
Verena

[…] Ob du die Hauptfigur schon vor der Grundidee entwickelst oder danach, bleibt dir überlassen. Je konkreter du jedenfalls die Hauptfigur kennst, desto einfacher ist es, die Geschichte zu schreiben. Schau dir auch gerne diesen Beitrag dazu an! […]

[…] und versuche sie an manchen Stellen nicht mehr flach erscheinen zu lassen. Ich verleihe ihnen mehr 3-Dimensionalität und vervollständige Beschreibungen, dort wo […]

[…] die Wichtigkeit „dreidimensionaler Figuren“ brauche ich hoffentlich nichts mehr zu […]

Danke

Hallo Annika,
hiermit will ich mich mal für deine tollen Tipps bedanken. Ich bin gestern das erste mal auf deine Seite gestoßen und ich kann sehr von deinen Tipps zehren.
Ich bin noch ganz am Anfang und habe durch deine Tipps gleich mal ordentlich meine Figuren poliert und ein bisschen frischen wind reingebracht:)
Eine frage beschäftigt mich allerdings…wie viele autoren können wirklich schon vom schreiben leben? ab wie vielen Büchern ungefähr ist dies erreicht?
hoffe ich trete hier niemandem auf die füße:)

Hallo Julia! Die Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Wie viel braucht der Mensch zum Leben? Reden wir vom Existenzminimum? Oder davon, dass eine Ärztin oder Anwältin ihr Einkommen durch Bücher ersetzen will? Beides wurde in der Vergangenheit geschafft, aber es gibt keine Statistik darüber, wie viele Autor*innen es offiziell gibt, die das hauptberuflich machen. Eine alte Zahl sprach von 100 Personen – diese Info ist aber Jahre alt und hat Self Publishing nicht berücksichtigt. Hinzu kommt, dass es in München schwieriger ist, vom Schreiben zu leben, als auf einem Dorf im Nichts, wo die Lebenshaltungskosten sehr viel geringer sind. Und man muss berücksichtigen, dass es oft nicht nur um Einzelverdienende geht, sondern viele Schreibende zB in Partnerschaften leben, wo das Einkommen der anderen Person ausreicht, sodass man mit den Büchern “nur noch” vielleicht ein paar hundert Euro im Monat erwirtschaften muss.
Im Schnitt dauert es erfahrungsgemäß zwischen 5 und 10 Jahre, bis man seine Fähigkeiten so verbessert hat und seine Zielgruppe so gut kennt, dass man auch eine entsprechende Anzahl an Büchern verkauft (und bereits am Markt hat).

GEDANKEN ÄUSSERN


Moin, ich bin Annika. Ich helfe dir, deinen besten Roman zu schreiben und ihn dann so zu veröffentlichen, wie du es dir vorstellst, ob mit oder ohne Verlag.

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Moin, ich bin Annika. Ich helfe dir, deinen besten Roman zu schreiben und ihn dann so zu veröffentlichen, wie du es dir vorstellst, ob mit oder ohne Verlag.