Es hätte mich noch mehr schockieren müssen, als ich den Facebook-Beitrag von Poppy J. Anderson las, in dem sie sich über Gruppen entsetzte, die illegal über Dropbox E-Books tauschen. Unzählige Autorinnen und Autoren sind sprachlos, viele Leserinnen und Leser stellen sich auf ihre Seite. Da stellt sich doch die Frage: Wie geht man als Autor mit sowas um?
Der Stein des Anstoßes
Die Welle begann mit einem Beitrag von Poppy J. Anderson. Das Wichtigste steht im ersten Satz:
Vor wenigen Minuten habe ich erfahren müssen, dass es hier auf FB eine Gruppe gibt, die über Dropbox ihren Mitgliedern “kostenlos” Ebooks zur Verfügung stellt – Ebooks meiner Autorenkollegen und auch von mir. Wie ich auf Screenshots gesehen habe, gehören Personen zu diesen Mitgliedern, die ich sogar persönlich kenne … (Poppy J. Anderson)
Im ersten Moment war ich genau so geschockt wie die anderen Autoren, die sich schon kurz darauf zu Wort meldeten. Mit etwas Abstand fiel mir dann eine Situation ein, in der mir eine Bekannte mal drei Hörbücher angeboten hat, die sie noch “auf einem Stick rumliegen” hatte. Ich hätte mal fragen sollen, woher sie die hatte … Jedenfalls gab mir das Anlass, über das Thema mal nachzudenken.
Ich beziehe mich hier in erster Linie auf die Tatsache, dass Bücher illegal getauscht werden. Über diese zwischenmenschlichen Differenzen kann ich nichts sagen, da ich die betroffenen Personen vermutlich nicht persönlich kenne.
Napster, BitTorrent, Kinox und Co.
Als ich ungefähr 14 oder so war, luden sich tausende Menschen illegal Musik aus dem Internet. Vermutlich ist das sogar heute noch so. Seiten wie Kinox sind dafür bekannt, dass man gerade erst vorgestellte Kinofilme und sämtliche Serien dort kostenlos streamen kann. Und natürlich hat diese Piraterie mittlerweile auch die E-Books erreicht. Da hilft kein Kopierschutz, da hilft kein “Bitte kauft mein Buch, ich brauche das Geld” und leider hilft da noch nicht einmal eine Welle wie sie gerade entsteht. Wie wir aus der Filmindustrie wissen, helfen Drohbotschaften zu Beginn der Filme nicht. Die Welt ist einfach schlecht, die Urheber sind den Dieben völlig egal.
Gerade diejenigen, die man persönlich kennt, neigen dazu, kein Geld für die Produkte ausgeben zu wollen. Jeder Inhaber eines Geschäftes wird wissen, dass die Verwandten, Bekannten und gute Freunde gerade zu erwarten, Rabatte zu bekommen und dieses und jenes Produkt sogar geschenkt zu bekommen, so nach dem Motto “für dich kostet das doch quasi nichts”. Dass der Einkaufspreis mit gutem Recht nicht der Verkaufspreis sein kann, leuchtet vielen nicht ein. Sie verstehen nicht, warum es ein Verlustgeschäft für den Verkäufer ist, wenn die Gewinnmarge nicht eingehalten wird. Und bei E-Books kann bei einem Verkaufspreis von 99 Cent von “Gewinnmarge” fast keine Rede sein.
Was also tun?
Die Welt ist also schlecht und das wird sich nicht ändern. Was kann man also tun? Hätte ich ein Geheimrezept gegen Produktpiraterie, würde ich es euch ja erzählen, aber das habe ich leider natürlich nicht. Konzentrieren wir uns also auf etwas anderes: Wie ich in meinem Artikel “Love it, change it or leave it” geschrieben habe, gibt es mehrere Möglichkeiten, einem Konflikt zu begegnen.
Option 1: Es einfach hinnehmen
Man könnte einfach die Tatsache akzeptieren, dass es immer E-Book- und Datenklau geben wird und sich damit abfinden, dass man immer einen gewissen Schwund einkalkulieren sollte.
Das klingt ein bisschen nach “aufgeben”, ist aber der nervenschonendste Weg. Ein sehr wichtiger Punkt dabei: Die Aufklärung darf nicht vernachlässigt werden. Auch wenn die Piraten sich persönlich nicht beeindrucken lassen, so sollte jeder Autor (und jede Autorin) helfen, Aufklärung zu leisten. Das Ziel sollte sein, Piraterie in den Köpfen der Menschen als etwas wirklich Schlechtes zu etablieren, so wie “echtes” Klauen von Produkten aus Geschäften. Ich weiß nicht, was für Erfahrungen du gemacht hast, aber wenn ich eine Bekannte sehen würde, wie sie zum Beispiel Schminke bei einer Drogerie klaut, würde ich sie darauf ansprechen und das verurteilen. Bei Büchern ist das in den Köpfen der Menschen noch nicht so angekommen, weil man die Dateien nicht anfassen kann. Dennoch will ich auch mit diesem Artikel aufklären und hoffe, dass sich das Verständnis von Arbeit in manch einem Kopf noch ändert.
Option 2: Etwas ändern
Wer die Situation nicht hinnehmen kann oder will, muss etwas ändern oder das Schreiben sein lassen.
Was kann man alles ändern?
Zuerst würde ich meine Einnahmen absichern. Wenn ich merke, dass immer mehr meiner Bücher illegal heruntergeladen werden, kann es ratsam sein, sich mehrere Standbeine als Einnahmequellen aufzubauen. So gerät man nicht gleich in Existenzängste, wenn eines der Standbeine zusammenbricht. Gerade durch Änderungen, die man nicht beeinflussen kann, kann das schnell mal passieren. Also: Falls du keinen sehr großen finanziellen Puffer hast, mit dem du ein paar Monate bis Jahre über die Runden kommst, überlege dir, wie du anderweitig Geld einnehmen kannst, bevorzugt nicht unbedingt über digitale Produkte, da diese immer geklaut werden können. Ich zum Beispiel arbeite mittlerweile als Social Media Manager und bekomme dafür Gehalt, außerdem verkaufe ich Texte, korrigiere gegen Bezahlung Texte und möchte in Zukunft einen Fokus auf YouTube und die dortigen Möglichkeiten legen. Wenn meine Bücher verscherbelt werden, bricht es mir zwar das Herz, aber nicht das Genick.
Wieder: Aufklärung! Falls du bisher noch nie jemanden darüber aufgeklärt hast, dass du nicht von Luft und Buchstabenliebe deine Miete bezahlen kannst, dann tu das doch mal. Bedanke dich bei denjenigen, die deine Bücher kaufen und dich unterstützen.
Mache deine Leser zu Fans. Haha, ist mal wieder viel leichter gesagt als getan 😉 Und selbst die, die Hardcore-Fans haben (so wie Poppy), sind ja nicht vor Dieben gefeit. Aber das Gute ist, dass du so eine “Armee” hinter dir hast, die dich unterstützt und auf die du dich verlassen kannst. Echte Fans kaufen deine Produkte, weil sie wissen, dass du von irgendetwas leben musst. Wenn sich, wie in dem besagten Fall, Menschen dir gegenüber freundlich verhalten und dich hinterrücks trotzdem beklauen, dann brich den Kontakt ab oder sprich sie direkt darauf an. Die Enttäuschung sitzt erstmal tief und es tut weh, wenn das Vertrauen zu einem Menschen weggbricht, aber alle seine Fans dafür zu bestrafen, indem man zum Beispiel keine Gewinnspiele mehr macht, ist auch nicht der richtige Weg. Setze deine Energie dazu ein, deine Produkte und vor allem dich selbst zu etwas Besonderem zu machen. Es ist sehr schwierig, das umzusetzen, wenn du nur E-Books verkaufst. Wenn du aber auch Taschenbücher im Angebot hast, dann biete die Möglichkeit auf signierte Taschenbücher, lege Postkarten oder Lesezeichen dazu. Biete einen Anreiz, das “Original” zu kaufen.
Biete deine Bücher ausschließlich über deinen eigenen Shop an. Diese Möglichkeit hat natürlich nicht jeder, denn dafür benötigst du einen Gewerbeschein, und du wirst vermutlich auch lange nicht so viel verkaufen wie über einen Händler. Zudem können deine Dateien noch immer frei weitergegeben werden, aber du hast alle Käuferdaten und du hast die Möglichkeit, einen Käufer direkt zu kontaktieren und ihm so zum Beispiel Goodies anzubieten, die Piraten nicht haben.
Nichtsdestotrotz schützt keine dieser Maßnahmen vor der Weitergabe deiner Dateien. Lediglich dein Umgang mit dem Thema kann sich ändern.
Option 3: Hör auf zu schreiben oder verschenke deine Bücher
Auch wenn es für die meisten keine Option ist: Es steht dir immer frei, deine Bücher überall kostenlos anzubieten, dann entsteht dir kein Schaden. Leben kannst du davon allerdings auch nicht.
Übrigens: Plattformen kontaktieren!
Wenn du übrigens eines deiner Bücher auf einer illegalen Plattform findest, lohnt es sich, den Betreiber (falls auffindbar) zu kontaktieren und mit dem Anwalt zu drohen. Ist allerdings ein Kampf gegen Windmühlen, da dein Buch wenige Tage später wahrscheinlich an anderer Stelle hochgeladen wird. Und nein, das ist keine Werbung für deine anderen Bücher. Wer keine 99 Cent für dein Buch A ausgibt, wird auch keine 99 Cent für dein Buch B ausgeben. Das sind einfach nicht deine Kunden.
Was macht denn die Filmindustrie?
Wie eingangs beschrieben, hat gerade die Filmindustrie große Probleme mit Piraterie. Trotz vieler Maßnahmen wie Strafandrohung kriegen sie das Problem aber nicht gelöst. Eine Dissertation zu diesem Thema hat die Frage aufgegriffen und herausgefunden, dass man noch an folgenden Stellschrauben drehen kann:
1) Der Nutzen für legal erworbene Produkte muss größer werden
Wenn ich dir ein Buch schenke oder dir das gleiche Buch für 2,99 EUR verkaufe, welches nimmst du? Viele nehmen das kostenlose, auch mit dem Wissen, dass dahinter ein Ein-Mann-Betrieb steckt, der das Geld braucht. Man könnte also mal überlegen, ob es nicht irgendwelche Möglichkeiten gibt, den Nutzen für Leser zu erhöhen, die für die Bücher bezahlen. Wenn mir da etwas Gutes zu einfällt, verrate ich es euch.
2) Die Vorteile der illegalen Downloads müssen verringert werden
Bei den Filmen ist es so, dass die Plattformen schon wenige Tage nach Veröffentlichung die Filme bereitgestellt haben. Bis eine offizielle DVD zu kaufen ist, kann es Monate dauern. In der Dissertation wird also vorgeschlagen, dass diese zeitlichen Vorteile minimiert werden sollten, beispielsweise durch “Video on Demand”, was ja immer mehr wird.
3) Der Umgang mit Dieben muss strikter werden
Hiermit ist nicht unbedingt gemeint, dass die Strafen härter sein müssen (denn das scheint nicht abschreckend genug zu sein), sondern dass die Gesellschaft die Diebe mehr verachten sollte. Es wird das Beispiel “iTunes” angeführt, denn seit es die ganzen iPods, iPads usw. gibt, kaufen mehr Menschen über iTunes Songs statt sie illegal herunterzuladen. Das ist damit begründet, dass anscheinend in den Kreisen der Apple-User diese illegalen Downloads schlecht angesehen sind. Wenn man so etwas auch für die Buchbranche schafft, könnte man die Piraterie etwas eindämmen (aber kaputt kriegt man sie nie).
Liebe Annika,
das ist ein Thema, über das ich mich auch schon oft geärgert habe. Aufklärung scheint tatsächlich der beste Weg zu sein.
Ich habe mal gelesen, dass (zumindest im Verlagsgeschäft) das “Schwarzlesen” nur einen kleinen Prozentsatz der Leser ausmacht. Trotzdem bleibt es ärgerlich. Im Zweifel kann man als Selfpublisher auch Firmen damit beauftragen, ein organisiertes Weitergeben der E-Books zu unterbinden. Damit habe ich aber keine Erfahrung aufzuweisen. 🙂 Vielleicht ist das ja für dich irgendwann interessant?
Liebe Grüße und nicht verzagen.
Ich habe auch schon davon gehört, dass man solche Firmen beauftragen kann, die sich darum kümmern, dass das Buch dort verschwindet. Allerdings frage ich mich, ob die Kosten den Nutzen rechtfertigen. Ich weiß nicht, wie teuer so eine Firma ist, aber ich habe meine Zweifel, dass sich das lohnt. Angenommen, jeden Monat würden 1000 Bücher von mir illegal heruntergeladen werden und mit jedem Buch entgeht mir 1 Euro, dann habe ich einen theoretischen Verlust von 1000 Euro im Monat, der sich aber nicht reell auf mein Portemonnaie (ich bevorzuge die französische Schreibweise) auswirkt. Wenn ich 500 Euro im Monat für so eine Firma bezahle, die sicherstellt, dass es meine Bücher nicht mehr online gibt, zahle ich reelle 500 Euro im Monat drauf. Und ich glaube nicht, dass mindestens 50 % derer, die illegal lesen, meine Bücher kaufen, wenn es sie nicht mehr zu klauen gibt. Dafür ist der Markt zu groß, dann lesen sie eben andere Bücher, die es zum Herunterladen gibt, und ich zahle weiter fleißig meine 500 Euro im Monat.
Oder habe ich einen Denkfehler?