“Vom Schreiben kann man nicht leben” liest man überall. Ach nein?
Als ich für diesen Blog und auch für mich selbst recherchiert habe, bin ich auf diesen Blogeintrag von Martin Grünstäudl gestoßen: 7 Gründe, warum du vom Schreiben nicht leben kannst
Ich las die Gründe durch und eine altbekannte Trotzhaltung machte sich in mir breit, die sich meistens einstellt, wenn mir jemand sagen will, was ich angeblich kann oder nicht kann: Pöh! Das werden wir ja sehen!
Vielleicht liegt es in meiner Natur, aber ich lasse mir meine Träume ungerne kaputtreden. Als ich den Beitrag gelesen habe, wurde ich immer melancholischer. Also habe ich aufgehört und gedacht: Ich mache ein Gegenstatement!
7 Gründe, warum du sehr wohl vom Schreiben leben kannst
Ich beziehe mich bei den Aussagen auf die Zwischenüberschriften im von mir oben verlinkten Beitrag.
Grund 1: Die Welt hat auf dich gewartet!
Ja, im Jahr werden mindestens 90.000 Verlagsbücher und schätzungsweise 100.000 und mehr SP-Bücher veröffentlicht. Ja, du könntest in der Masse untergehen, vielleicht tust du das mit manchen Büchern auch. Aber das sollte dich nicht einschüchtern! Wenn du deine Schreibfähigkeiten sehr gut ausbaust, kannst du auch ein sehr gutes Produkt präsentieren und bist somit schonmal besser als sehr viele deiner Mitbewerber. Mit ein paar Marketingstrategien, einem gut aufgestellten Netzwerk, viel Arbeit und viel Zeit erhöhst du deine Chancen. Eine originelle Geschichte muss nicht das Rad neu erfinden, sondern den Leser gefangen nehmen. Je selbstbewusster du mit deinem Buch auftrittst – aber trotzdem für ernstgemeinte Kritik empfänglich bleibst – desto sicherer ist, dass die Welt auf dich gewartet hat. Sie muss es nur noch merken.
Grund 2: Verlage nehmen (erfolgreiche) Neulinge ernst
Seine Buchidee an einen Verlag zu verkaufen, ist sehr schwierig. Deshalb eröffnet der Weg als Selfpublisher ja so ungeahnte Freiheiten. Meiner Erfahrung nach hat man es als erfolgreicher Selfpublisher leichter, einen Verlag zu finden, weil man schon Referenzen und einen Leserstamm vorweisen kann. Wenn dann die Idee noch gut ist, das Exposé professionell erstellt wurde und die Leseprobe fetzt, dann ist der Sprung zum Verlagsautor nicht groß.
Als Neuling traut man sich oft nicht, Forderungen zu stellen oder den angebotenen Vertrag zu ändern und die Änderungen zurück zu schicken (siehe hierzu auch ein prima Beitrag in der Selfpublisherbibel). Verlage sitzen heutzutage aber nicht mehr auf einem ganz so hohen Ross wie noch vor ein paar Jahren und man kann sich ruhig trauen, selbstbewusst aufzutreten. Zurückrudern kann man immer. Im Schnitt wird jedem zehnten Selfpublisher ein Vertrag mit einem Verlag angeboten, ohne dass man dort Klinken putzen musste (Quelle dieser Zahl ist die Selpfpublishing-Studie der oben verlinkten Selfpublisherbibel).
Grund 3: Die Tantiemen können ausreichen
Auf dem verlinkten Blog wird anschaulich berechnet, was ein Verlagsautor pro (Print-)Buch verdient, aber die Herleitung ist nicht sinnvoll. Ich möchte mal darauf eingehen:
“Bei einem Sachbuch liegt die Beteiligung irgendwo zwischen 5 und 15 Prozent.”
So weit richtig, was Printbücher über Verlage angeht.
“In Deutschland beträgt die Umsatzsteuer auf Bücher 7 Prozent – in Österreich 10 Prozent.”
Richtig, was Printbücher angeht.
“Für die [eBooks] gilt leider nicht der ermäßigte Steuersatz. Somit musst du zur Berechnung deines Honorars vom Bruttoerlös 19 (Deutschland) bzw. 20 Prozent (Österreich) abziehen.”
Es wird nicht erklärt, wie ich den Bruttoerlös berechne, denn der Verkaufspreis kann damit nicht gemeint sein. Sowieso gilt dieser Punkt nur, wenn man davon leben will, Verlagsbücher (Print) zu schreiben. Das ist, zugegebenermaßen, noch viel schwieriger als vom Selfpublishing zu leben. Wer klug ist, arbeitet sowohl mit Verlagen zusammen als auch unabhängig.
Für E-Books liegen die Tantiemen eher bei 25-30 %, manchmal darüber, wenn man mit einem Verlag zusammenarbeitet. Im Self Publishing sind hier Tantiemen von um die 70 % üblich. Bei einigen hundert bis tausend verkauften Exemplaren kann man da schon von leben.
“Jetzt sagen wir mal dein Buch wird um 20 Euro verkauft. Davon 7 Prozent weg machen 18,6 Euro. Hiervon wird nun dein Honorar von 10 Prozent berechnet. Das macht also pro Buch sage und schreibe 1,86 Euro.”
Mal davon abgesehen, dass Belletristik-Autoren kein Buch um 20 Euro verkaufen, finde ich diese Rechnung nicht korrekt. Es macht für jemanden, der vom Schreiben leben will, mehr Sinn, sich mit den e-Book-Tantiemen auseinanderzusetzen, denn die Marge ist viel höher. Trotzdem, wo wir beim Printbuch sind, hier ein Vergleich:
Wenn ich ein 200-Seiten starkes Taschenbuch über die Amazontochter CreateSpace veröffentliche und für 9,99 EUR verkaufe, bekomme ich pro verkauftem Buch etwa 2,50 EUR.
Bei e-Books ist die Preisspanne viel interessanter. Die prozentuale Beteiligung in Zusammenarbeit mit einem Verlag liegt irgendwo zwischen 20 und 30 % für Neulinge (also viel mehr als die durchschnittlichen 5 – 10 % bei Printbüchern). Verlags-e-Books werden (zumindest momentan) teurer verkauft als e-Books von Selfpublishern, man bekommt aber trotzdem weniger heraus. Wer direkt über Amazons KDP veröffentlicht, bekommt bei einem Buch von 200 Seiten für einen Verkaufspreis von 2,99 EUR immerhin 2 Euro Gewinn. Wer sein e-Book für 9,99 verkaufen würde (allerdings ginge das total gegen den Markttrend beim Selfpublishing), bekäme ca. 6,75 EUR pro Buch.
Jetzt rechne dir mal aus, wie viele du im Jahr verkaufen musst, um davon leben zu können…
Der Satz legt nahe, dass jemand ein einziges Buch schreibt, über einen Verlag veröffentlicht und sich dann zurücklehnt, um von nun an vom Schreiben zu leben. Dabei impliziert vom SCHREIBEN leben doch, dass man sich sofort an das nächste Projekt macht. Natürlich kann man von einem einzigen Buch selten leben, obwohl es durchaus Menschen gibt, die das geschafft haben.
Angenommen, du schaffst es, zwei bis drei Bücher im Jahr zu veröffentlichen, eins davon über einen Verlag und zwei ohne. Im Schnitt verkaufst du – weil du den Markt und deine Zielgruppe kennst, deine Schreibfähigkeiten trainiert hast und alle möglichen Tipps anwendest, auf die du stößt – jedes Buch rund 3.000 bis 5.000 Mal, das sind immerhin schon zwischen 10- und 15.000 Euro im Jahr (brutto). Ja, davon kann noch nicht jeder leben und das Risiko, den Schnitt nicht halten zu können, ist zu groß, aber es ist machbar. Wenn du mehrere Bücher veröffentlicht hast, befruchten sie sich gegenseitig. Das Gute: Du kriegst Tantiemen, solange die Bücher verkäuflich sind. Wenn du also in zwei Jahren vier bis sechs Bücher geschrieben und veröffentlicht hast, bekommst du im dritten Jahr Tantiemen für vier bis sechs Bücher plus die für dein siebtes und achtes. Klar, das ist viel Arbeit und es dauert, bis es sich rentiert, aber hat irgendjemand behauptet, es sei leicht, vom Schreiben zu leben? Nein, nur, dass es möglich ist.
(Übrigens: Nicht verzagen! Es gibt dutzende Autoren, die mit zwei, drei Büchern 30.000, 50.000 oder sogar 100.000 Euro und mehr eingenommen haben. Orientiere dich also an diesen Menschen, statt auf die zu schauen, die es alle nicht geschafft haben).
Grund 4: Beim Selfpublishing hast du alles in der Hand
Gemeint ist bei diesem Punkt, dass die große Freiheit des Selfpublishings dir nutzen kann, wenn du es richtig angehst. Niemand kann alles, deshalb plädiere ich dafür, Aufgabengebiete auszulagern, die dir nicht liegen (siehe “Leitsätze eines Superhelden – Nummer 3: Ich weiß, wer das macht“). Wie dort beschrieben ist, muss die Hilfe nicht teuer sein. Es gibt immer mehr preisgünstige Angebote, die dennoch gut sind, und bis jetzt haben sich all meine Investitionen immer zeitnah amortisiert.
Grund 5: Selfpublishing ist eine Chance, kein Notausweg
Ich verstehe gar nicht genau, warum in dem genannten Blog das schlechte Image der Selfpblisher als Grund genannt wird, vom Schreiben nicht leben zu können. Fakt ist, dass das Image immer besser wird, weil die Bücher auch besser werden. Natürlich gibt es viele qualitativ minderwertige Bücher von Selfpublishern und ich denke auch, dass es in diesem Bereich mehr Bücher gibt, die orthografisch mehr als fragwürdig sind als es bei Verlagsbüchern der Fall ist, ABER: das ist doch deine Chance! Mach es besser als die anderen. Leiste dir einen Lektoren oder wenigstens einen Korrektoren (die günstiger sind, da sie ja nur die Rechtschreibung prüfen), achte auf einen professionell wirkenden Buchsatz, zahle für ein gutes Cover (Tipp: Grafikstudenten fragen) und schon bist du auf dem richtigen Weg.
Zudem denke ich, wie bei Grund 3 schon angesprochen, dass es durchaus sinnvoll ist, zweigleisig zu fahren. Wer bei einem Verlag veröffentlicht, bekommt automatisch ein Seriositätssiegel, so ist meine persönliche Erfahrung. Die Reichweite ist höher und das, was man an geringeren Tantiemen beim Verlag bekommt, gleicht sich durch ansteigende Verkäufe der Selfpublishing-Bücher wieder aus.
Grund 6: Ein Roman entsteht aus einem Guss
Wieder so ein Punkt, den ich in dem genannten Blog gar nicht wirklich nachvollziehen kann. Der Tenor lautet dort “Ein Roman muss einen durchgehenden roten Faden haben. Das zu schreiben ist ganz schön viel Arbeit”. Klar ist es das, aber ist das ein Grund, warum man nicht davon leben kann? Sicherlich nicht. Ich sehe es sogar als Vorteil: Du hast eine Geschichte (roter Faden), an dem du dich über die Länge des Romans entlanghangeln kannst. Du öffnest und schließt (in der Belletristik) Handlungsstränge, entwickelst Figuren, die in deinem Universum leben, beglückst die Figuren mit deinen Ideen für ihren Werdegang oder lässt sie durch die Hölle gehen.
Im Gegensatz zu Bloggern muss man sich als Romanautor nicht ständig neue Themen suchen, diese recherchieren und dann einen Artikel von 500 bis 1000 Worten schreiben und sich anschließend ein neues Thema suchen. Zudem verdienen Blogger im Vergleich selten etwas, indem sie einfach nur einen Artikel auf ihrem Blog schreiben (sie müssen sich über Werbeeinnahmen, Affiliate-Artikel und andere Dinge finanzieren, wenn sie nicht fürs Schreiben bezahlt werden).
Es ist also ein Vorteil und nicht ein Nachteil, dass Romane einen roten Faden haben. Wenn du das Schreibhandwerk beherrscht (und dazu gehört natürlich auch, dass du diesen roten Faden konstruierst), ist es mitunter weniger Arbeit, 50.000 Worte für eine Geschichte zu schreiben, als 50 verschiedene Artikel mit 1000 Wörtern.
Grund 7: Wer gut ist, erhöht seine Chancen auf Erfolg
Es ist fast eine Tautologie, aber ich sage es trotzdem: Wer besser ist als die anderen, erhöht seine Chancen auf Erfolg. Dazu gehört auch eine ordentliche Rechtschreibung in Büchern. Im genannten Blog steht unter diesem Punkt, dass man beim Romanschreiben mehr auf Rechtschreibung achten müsse als beispielsweise bei Blogartikeln (nochmal: warum soll das ein Grund sein, vom Schreiben nicht leben zu können?). Das stimmt, wobei die Erfahrung zeigt, dass Leser von e-Books sehr viel gnädiger sind, was Flüchtigkeitsfehler betrifft, als Leser von Printbüchern (erst recht wenn es Verlagsbücher sind). Auch hier sehe ich wieder eine Chance: Wer darauf achtet, dass sein Buch rechtschreib- und grammatiktechnisch einwandfrei ist, hebt sich von einem Großteil der hochgeladenen Bücher ab (die es häufig eh nicht in die vorderen Ränge schaffen).
Wer auf sein Geld achten will, sollte sein Netzwerk ausbauen und andere – sprachsichere! – Autoren fragen, ob sie das Buch Korrektur lesen. Als Gegenleistung könntest du deine Dienste anbieten für das, was du gut kannst (beispielsweise Testleser sein, Cover designen, Werbung machen oder was auch immer). Wer gute Vorarbeit leistet, reduziert die Kosten beim Korrektor, der dann kaum noch Fehler findet.
Fazit: Klar geht das!
In seinem Fazit rudert Martin zurück und meint, dass es trotz der genannten Gründe möglich ist, vom Schreiben zu leben (wie kommt er darauf, wo er doch die ganze Zeit gesagt hat, dass es nicht geht?). Dem Fazit muss ich mich anschließen: Natürlich ist es möglich, vom Schreiben zu leben. Es gibt ja auch genug Menschen, die das tun!
Es ist schwer, keine Frage. Es gibt keine Garantien und schon morgen kann man weg vom Fenster sein. Das eigene Einkommen hängt zumindest teilweise von der Gunst der Leser ab, weshalb ich dazu rate, sich immer einen Plan B und C vorzuhalten, der im Notfall greift – das könnte zum Beispiel ein Bürojob sein, bei dem man einen Tag in der Woche arbeitet und im Notfall die Arbeitsstunden hochschrauben kann.
Wie seht ihr das? Kann man vom Schreiben leben?
Ja, ich bin mir recht sicher, ich könnte vom Schreiben leben. Dann müsste ich allerdings meine Hauptfirma aufgeben, die mir auch Spaß macht, damit ich mehr als nur ein oder zwei Bücher im Jahr rausbringen kann. Und mehr Werbung machen.
Es ist toll, dass du das sagen kannst! Und damit meine ich sowohl den Satz “ich könnte vom Schreiben leben” als auch dass dir deine Hauptfirma Spaß macht. Im Grunde ist es doch genau das, worum es geht: Zu tun, was einem Spaß macht. Ich habe jedenfalls selbst mit drei Büchern im Jahr nicht genug Einnahmen, um komplett davon leben zu können – aber wenigstens genug, um weniger in meinem Brotjob zu arbeiten 😉
Liebe Grüße
Annika